Venus

Die ungleiche Schwester der Erde

Venusatmosphäre im UV-Licht
(NASA/JPL)

Venus als strahlender Abend- oder Morgenstern dürfte jedem von uns als markante Himmelserscheinung bekannt sein. Die hohe Albedo und eine u. U. geringe Entfernung zur Erde (ca. 40 Mio. km) bewirken ihre große scheinbare Helligkeit. Die Elongation der Venus erreicht maximal 47°, so dass wesentlich günstigere Beobachtungsbedingungen als bei Merkur vorliegen. Einer großen relativen Änderung unterliegt der scheinbare Durchmesser des Venusscheibchens. In einem Fernrohr ist die Phasengestalt schon bei geringen Vergrößerungen erkennbar. Nahe der unteren Konjunktion, wenn die Venus fast zwischen Erde und Sonne steht, können sogenannte „Hörnerspitzen“ auftreten: Die Venussichel umgreift dabei den Umfang des Planetenscheibchens über die geometrisch möglichen 180°. Das ist ein Hinweis auf eine dichte Atmosphäre, die sogar so stark ist, dass der Blick auf die Oberfläche verwehrt wird. Im optischen Bereich erscheint diese Atmosphäre nahezu strukturlos. Mit größeren Geräten erkennen erfahrene Beobachter bestenfalls noch unbestimmte dunklere Bereiche auf der Planetenscheibe. Venusdurchgänge vor der Sonne sind noch seltener als die von Merkur. Die nächsten derartigen Ereignisse werden erst wieder am 11. Dezember 2117 und am 8. Dezember 2125 stattfinden.

Im Hinblick auf Masse und Durchmesser könnte Venus als Schwester der Erde gelten. Jedoch gibt es auch gravierende Unterschiede. Wie bei Merkur konnte erst durch den Einsatz von Radarsignalen die wirkliche Rotationsperiode ermittelt werden. Venus rotiert retrograd und derart langsam, dass eine Umdrehung um die eigene Achse länger dauert als ein „Venusjahr“ – einzigartig unter den Planeten des Sonnensystems! Infolge des unterschiedlichen Drehsinns von Sonnenumlauf und Rotation ist ein Sonnentag („Venustag“) dagegen wesentlich kürzer als ein „Venusjahr“. Die Sonne bewegt sich über den Venushimmel in gleicher Richtung wie die (nicht sichtbaren) Sterne, aber gut doppelt so schnell wie diese. Beobachtungen im Radiobereich ließen erste Schlussfolgerungen über eine anomal hohe Oberflächentemperatur der Venus zu. Nach den Ergebnissen von Sondenmissionen weist die Venusatmosphäre einen enormen Treibhauseffekt auf. Es gibt keine nennenswerten Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht, Äquator und Polen. Infolge des hohen Drucks in der unteren Atmosphäre befindet sich diese im überkritischen Zustand. Ihre Dichte entspricht der einer Flüssigkeit. Am Boden treten nur sehr geringe Windstärken auf (ca. 1 m/s). Mit zunehmender Höhe nehmen die Windgeschwindigkeiten dagegen stark zu. Die Wolken brauchen nur gut 4 Tage für eine Planetenumrundung, wobei sie der Rotation vorauseilen. Ihr Zirkulationssystem ist nur im UV-Bereich erkennbar. Der Bereich der Wolken liegt dabei wesentlich höher über der Oberfläche als bei der Erde (32 bis 70 km). Vom Erscheinungsbild her handelt es sich bei den Venuswolken eigentlich um Dunst, der Sichtweiten von 1 bis 2 km ermöglicht. Die feinen Dunsttröpfchen bestehen überwiegend aus Schwefelsäure.

Radar gestattet einen Blick auf die Oberfläche der Venus. Tektonische Bruchzonen heben sich hierbei als helle Strukturen ab.
(NASA/JPL)

Für eine großflächige Erkundung der Venus werden Radarabtastungen herangezogen. Die Oberfläche besteht zum großen Teil aus flachen Tiefebenen sowie einigen Kontinentalgebieten bzw. Bergmassiven als Ergebnis tektonischer und vulkanischer Aktivitäten. Rezenter Vulkanismus konnte bisher noch nicht direkt nachgewiesen werden, sollte aber vorhanden sein. Der starken Veränderungen unterliegende SO2-Gehalt in der Atmosphäre, bisher unverstandene Gewitteraktivitäten („elektrischer Drache der Venus“) und Gebiete mit im Vergleich zu thermischen Modellen überhöhten Temperaturen gelten als Hinweise auf auch heute noch aktive Venusvulkane. Im Gegensatz zur Erde scheint es keine Plattentektonik zu geben. Der Wärmestrom aus dem Planeteninnern wird wohl durch „Heiße Flecken“ (HotSpots) und möglicherweise durch Wärmeleitung abgeführt. Die Venuskruste ist wahrscheinlich dünner als die der Erde. Abweichungen im Schwerefeld sind nämlich sehr gut mit der globalen Topografie verknüpft. Einschlagskrater kommen auf der Venus recht selten vor und stellen dabei außerordentlich flache Gebilde dar. Die kleinsten von ihnen haben Durchmesser von 1,5 km. Meteorite, welche noch kleinere Formationen erzeugen würden, überstehen wohl den Flug durch die dichte Atmosphäre nicht. Die zufällige Verteilung der Krater weist auf ein verhältnismäßig geringes Alter der Venusoberfläche von etwa 500 Mio. Jahren hin. In zeitlich davor liegenden Epochen der Planetenentwicklung fanden große Flächenergüsse von Lava statt. Möglicherweise war dabei die Oberfläche sogar globalen Aufschmelzungen unterworfen. Bisher untersuchtes Gestein ist basaltischen Ursprungs. Nahaufnahmen zeigen bisher erodierte Steinflächen, dünnschichtige Ablagerungen oder Geröll.

Im grundsätzlichen inneren Aufbau gleicht Venus der Erde. Der Radius des Kerns wird auf 2900 km geschätzt. Darüber befinden sich unterer und oberer Mantel mit Mächtigkeiten von ca. 2000 bzw. 1000 km. Als oberste Schicht folgt die Lithosphäre. Bis heute liegen keine seismischen Daten vor, um die genaue Tiefe der einzelnen Schichten zu ermitteln oder Aussagen über Venusbeben treffen zu können. Venus besitzt kein inneres Magnetfeld. Im Zusammenhang mit der sehr langsamen Rotation werden wohl keinerlei Dynamoeffekte im Planeten angeregt. Die Wechselwirkung der ionisierten Atmosphärenschichten mit dem Sonnenwind lässt ein Feld geringer Stärke entstehen. Das bewirkt die Herausbildung einer Stoßfront in ca. 2000 km Höhe auf der Tagseite des Planeten.