Merkur

Eine kleine heiß-kalte Welt

Merkur mit Kratern und Strahlensystemen
(NASA/Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory/Carnegie Institution of Washington)

Der Merkur ist der innerste aller Planeten unseres Sonnensystems. Infolge seiner geringen Größe erscheint er merklich lichtschwächer als Venus und eher von gelblicherer Farbe. Der schnellere Umlauf um die Sonne und die geringe Elongation (maximal 27°) machen eine Beobachtung jedoch schwierig. In unseren Breiten ergeben sich die besten Beobachtungsbedingungen, wenn eine Abendsichtbarkeit in zeitlicher Nähe zum Frühlingsanfang liegt bzw. eine Morgensichtbarkeit entsprechend zum Herbstanfang. Hierbei nimmt nämlich die Ekliptik eine hohe Neigung gegenüber dem Horizont ein und gleicht somit den Nachteil des geringen Sonnenabstandes aus. In einem astronomischen Fernrohr kann die Phasengestalt des Planeten gesehen werden. Jedoch bleibt das mehr oder minder beleuchtete Planetenscheibchen kleiner als das der Venus, und Oberflächeneinzelheiten sind der amateurastronomischen Beobachtung praktisch nicht zugänglich. Seltene Ereignisse sind Durchgänge des Merkurs vor der Sonne. Der Planet erscheint dabei wie ein tiefschwarzer, winziger Sonnenfleck, der langsam über die Sonnenscheibe wandert. Am 13. November 2032 findet das nächste derartige Ereignis statt, welches in Mitteleuropa beobachtet werden kann.

Die Ähnlichkeit der bekannten Oberflächenregionen des Merkurs mit denen des Mondes ist auf den ersten Blick hin frappierend. Der Merkurboden besteht aus Regolith, der für eine gute Wärmeisolierung sorgt. In einigen Dutzend Zentimetern Tiefe herrscht bereits eine relativ konstante Temperatur von 70 bis 90 °C. Krater kommen in allen Größen vor. Durch die höhere Schwerkraft wird deren Auswurfmaterial nicht so weit verstreut wie auf dem Mond. Bisher nur auf dem Merkur bekannt sind Zwischenkraterflächen, auf denen die Kraterdichte geringer ist. Diese könnten das Ergebnis einer Art Vulkanismus sein. Eine Einzigartigkeit stellen Verwerfungen von zum Teil beträchtlicher Länge dar, die durch eine Kontraktion der Kruste in frühen Epochen der Planetenentwicklung entstanden sind. Mit den „Mondmeeren“ vergleichbare Formationen gibt es nur wenige. Caloris Planitia (Ebene der Hitze) ist bis jetzt die einzige bekannte große Lavafläche. Bei ihrer Bildung scheinen auf der genau gegenüberliegenden Oberflächenregion seismische Wellen fokussiert worden zu sein, in deren Ergebnis das Gelände in eine chaotische Blocklandschaft zerfiel und von Brüchen durchsetzt wurde.

Aufgrund der früheren ungenügenden Beobachtungsmöglichkeiten wurde bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts angenommen, dass dieser Himmelskörper der Sonne immer dieselbe Seite zuweist. Die Untersuchung der Radiostrahlung des Planeten in Verbindung mit reflektierten Radarsignalen, die von der Erde ausgesandt wurden, konnte die wirkliche Rotationsdauer ermitteln. Es stellten sich dabei höchst bemerkenswerte Zusammenhänge heraus: Die siderische Rotationsdauer von Merkur und seine Umlaufzeit um die Sonne stehen in einem Verhältnis von 3 zu 2 zueinander! Der Tagbogen der Sonne ist praktisch an jedem Merkurtag gleich. Hinzu kommt, dass die Bahn des Merkurs merklich von der Kreisform abweicht, und so in ihrem sonnennächsten Abschnitt die Winkelgeschwindigkeit des Sonnenumlaufs die der Rotation übersteigt. Für einen Beobachter auf der Oberfläche des Planeten ergebe sich folgendes Bild: Vor dem Hintergrund der sich gleichmäßig und (für unsere Verhältnisse) langsam bewegenden Sterne liefe die Sonne mit veränderlicher Geschwindigkeit, mit Stillständen und sogar Rückläufigkeit. In zwei ca. 1° breiten Zonen auf den hermografischen Längen (entspricht der geografischen Länge auf der Erde) von 0 bzw. 180° geht die Sonne dabei dreimal durch den Mittag; auf 90° und 270° Länge geht sie dagegen zweimal auf bzw. zweimal unter. In den übrigen Gebieten stehen die Längen von Vormittag zu Nachmittag im Verhältnis 1 zu 2 bzw. 2 zu 1 zueinander. Ein Sonnentag („Merkurtag“) dauert zwei Bahnumläufe (zwei „Merkurjahre“)! Unter den Planeten im Sonnensystem ist dies einmalig!

Heutige Modellvorstellungen zum inneren Aufbau des Merkurs gehen von einem verhältnismäßig großen Kern aus eisenreichem Material aus. Die darüberliegende silikatische Lithosphäre hat eine Dicke von ca. 600 Kilometern. Der Merkurkern ist damit im Verhältnis zum Planetenradius sogar noch größer als der der Erde. Es existiert ein Dipolmagnetfeld, dessen Flussdichte am Äquator ca. 1% der des irdischen Magnetfeldes beträgt. Die Orientierung entspricht den Verhältnissen bei der Erde und die Neigung gegen die Rotationsachse beträgt rund 7°. Strahlungsgürtel sind nicht vorhanden. Die Grenze der Magnetosphäre in Richtung Sonne befindet sich nur in einer Höhe von ca. 1000 km. Energiereiche Sonnenwindteilchen können deshalb die Oberfläche erreichen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird das Magnetfeld durch Dynamoeffekte im flüssigen Kern erzeugt. Die Atmosphäre hat eine extrem geringe Dichte, vergleichbar mit der des Mondes und den äußersten Schichten der Erdatmosphäre bei ihrem Übergang in den freien Weltraum (Exosphäre). Sie besteht im Wesentlichen aus den Elementen Sauerstoff, Natrium, Wasserstoff sowie Helium. Es handelt sich hierbei um eingefangenen Sonnenwind bzw. aus der Oberfläche herausgeschlagene Teilchen. Die langsame Rotation und die praktisch fehlende Atmosphäre führen zu enormen Temperaturunterschieden auf der Oberfläche des Planeten.